Aus dem Vetmedmagazin 1/2015, S. 30/31:
Auf den Zahn gefühlt
Zahnmedizin bei Hund, Katze und Co.
Mundgeruch, Zahnstein und Zahnfleischentzündungen weisen auf stark geschädigte Zähne hin. Die Zahnprophylaxe ist auch beim Tier entscheidend für ein gesundes Gebiss, erklärt Zahnspezialist Matthias Schweda von der Kleintierchirurgie an der Vetmeduni Vienna.
Bei TierhalterInnen wächst das Bewusstsein für die Zahngesundheit ihrer Haustiere. In der Zahnambulanz der Universitätsklinik für Kleintiere ist die Anzahl an Tierpatienten in den vergangenen fünf Jahren um fast 80 Prozent gestiegen. Spätestens bei verminderter
Fresslust, bei üblem Geruch aus dem Maul, Zahnstein, Zahnfleischentzündungen sowie bei Traumen im Kieferbereich ist ein Besuch bei der Tierärztin oder beim Tierarzt angeraten.
Reißen statt mahlen
Hunde haben zehn Zähne mehr als Menschen - insgesamt 42, Katzen hingegen nur 30. Beide haben ein für Fleischfresser typisches Scherengebiss: Sie reißen und schneiden ihre Nahrung statt diese zu zermahlen.
Die gegenüberliegenden Zähne haben nur minimale Berührungsflächen und es bleiben daher kaum Speisereste
hängen. Das Gebiss bei Hund und Katze hat somit eine größere Selbstreinigungsfunktion als das des Menschen. Trotzdem bedürfen auch ihre Beisserchen regelmäßiger Pflege.
Alle zwei Tage Zähne putzen
Matthias Schweda, Leiter der Zahnambulanz für Kleintiere an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, empfiehlt: „Bei Hunden und Katzen sollten alle zwei Tage Zähne geputzt werden, wobei die Reinigung der hinteren Zahnaußenflächen im Vordergrund steht. Dort liegen die Austrittsöffnungen der Mundspeicheldrüse und es bildet sich hier durch Ablagerung des im Speichel enthaltenen Kalziums und Phosphats vermehrt Zahnstein. Zusätzlich sind Zahnpflege-Kau-Sticks sinnvoll.“ Durch regelmäßiges Putzen kann das Entstehen von Plaque, Zahnstein und in weiterer Folge von Erkrankungen der Zähne, des Zahnfleischs sowie des Zahnhalteapparates, aufgehalten werden.
Eine tierärztliche Kontrolle ein- bis zweimal pro Jahr ist laut Schweda ideal.
Kurzköpfige, brachycephale Hunderassen haben eine Neigung zu Zahnproblemen. In
den engen Maulhöhlen von Mops oder Französischer Bulldogge haben die Zähne wenig
Platz. Deshalb funktioniert die Selbstreinigung beim Fressen schlecht.
Weiche Zahnbürste und Kreide
Bereits acht Monate alte Welpen sollten langsam nach dem Gebisswechsel ans Zähneputzen gewöhnt werden. Wichtig dabei sind eine sehr weiche Zahnbürste sowie Schlämmkreide. Das ist ein durch Sieben, Mahlen und Schlämmen gereinigtes Kreidepulver, das auf einer angefeuchteten Bürste zum Zähneputzen verwendet werden kann.
Alternativ kann auch eine spezielle (!) Hunde-Zahnpasta verwendet werden, Zahnpasta für Menschen ist für Tiere unverträglich oder gar toxisch. „Bei Katzen ist die Gewöhnung an regelmäßiges Putzen schwieriger. Bei ihnen muss man den individuellen Motivationsfaktor für das Zähneputzen herausfinden. Leberpastete funktioniert zum Beispiel gut“, schmunzelt Schweda.
Bei 80 Prozent der älteren Katzen können sogenannte Feline Odontoklastische Resorptive Läsionen (FORL) der Grund für Zahnfrakturen sein. Diese fälschlicherweise oft als Katzenkaries bezeichnete Erkrankung führt dazu, dass körpereigene Zellen den Bereich des Zahnhalses abbauen. Der Zahn wird dann porös und bricht. Die Gründe dafür sind noch nicht bekannt.
Funktionalität im Fokus der Behandlung
Bei einer Zahnkontrolle unter Narkose sollte in der Regel ein Gebissröntgen angefertigt werden. Damit können die TierärztInnen zum Beispiel den Wurzel- oder Kieferknochenbereich sehen. In Narkose wird dann jeder einzelne Zahn inspiziert und mit sogenannten Ultraschall-Scalern gereinigt, entzündete Stellen werden behandelt und lockere Zähne bei Bedarf gezogen. Zum Abschluss der Gebisssanierung ist die Politur der Zahnoberflächen essenziell, um das Haftenbleiben von Plaque und die Neubildung
von Zahnstein zu verhindern.
„Die Ziele zahnmedizinischer Behandlungen sind immer Schmerzfreiheit und Funktionserhalt des Gebisses. Dabei sind die Eck- und Reißzähne absolut erhaltenswert, weil sie für
die Tiere für das Greifen und Halten am wichtigsten sind“, erörtert Schweda. Ästhetische
Mängel wie Zahnlücken sind vernachlässig bar, solange die Zerkleinerung der Nahrung
gewährleistet ist. Zum Behandlungsspektrum im Bereich der Kieferchirurgie zählen
neben Frakturen auch das Einrenken des Kiefers und orale Tumore. Reptilien und Lamas
zählen im Bereich Kieferchirurgie ebenfalls zu Schwedas Patientenkreis.
Zahntierarzt als Vollzeitjob
Matthias Schweda ist der einzige Tierarzt an einer europäischen Universität, der sich
Vollzeit mit der Zahnheilkunde von Kleintieren beschäftigt. Er absolvierte mehrere Ausbildungsaufenthalte an der Universität von Pennsylvania (Ryan Veterinary Hospital for
Companion Animals) und bestand die Prüfung zum Fachtierarzt für Kleintiermedizin
der Österreichischen Tierärztekammer. Im Herbst 2014 schloss er sein Doktoratsstudium
an der Veterinärmedizinischen Universität Wien ab. In seiner mit einem Preis des Vereins
der Österreichischen KleintierärztInnen (VÖK) ausgezeichneten Dissertation untersuchte er
Meerschweinchen mit Zahn- und Kieferproblemen. Das Ergebnis: In 85 Prozent der Fälle
konnte erst durch eine Computertomografie der Grund für die Schmerzen identifiziert werden. Die Ursachen waren meist Infektionsherde im Reservekronenbereich (ähnlich dem Wurzelbereich), Zahnfrakturen oder vergrößerte Backenzähne. „Beim Verdacht auf Zahnprobleme bei kleinen Heimtieren empfehle ich daher, routinemäßig ein Röntgen oder ein CT durchführen zu lassen“, legt der Zahnspezialist nahe.
Anleitung zum Zähneputzen bei Hunden (PDF zum Download):
bit.ly/1L7a6FZ